HEDWIG MÜLLER UND MARIE MÜLLER

Die nächsten Hexenprozesse in Sieversdorf fanden in der 1660er-Jahren statt. 1660 wurde die sechzigjährige Hedwig Müller, verheiratete Behrendt, Bauersfrau in Köritz, verbrannt, nachdem sie auf der Folter bekannt hatte, sie habe ihr Vieh, wenn es krank gewesen war, gebötet, zur Butter ein Pulver gegeben und dem Teufel in leibhaftiger Gestalt sich anvertrauen lassen. Aus den Prozessakten geht hervor, wie man ihr unter der Folter Geständnisse abpresste, die sie anschließend widerrief, um während weiterer Folterungen wieder zu gestehen. Nach diesen unmenschlichen Qualen bat sie schließlich um den Tod.
Sieben Jahre später brachte Marie Schröder, die Tochter eines Bauern in Sieversdorf, in einer Klage gegen eine Verwandte jener Hedwig Müller aus Köritz, namens Marie Müller, verehelichte Rhinow, mehrere Beschuldigungen wegen Zauberei vor. Das Amtsgericht berichtete darüber an den Landgrafen von Hessen-Homburg und erhielt von ihm den Auftrag, die Verdachtsgründe zu untersuchen.
Zunächst wurde am 16. Februar 1667 die Anklägerin Marie Schröder vernommen. Sie sagte aus, die Marie Müller hätte in der Wohnung des Bauern Ladewig Verwünschungen gegen sie ausgesprochen. Der siebzigjährige Stiefvater der Marie Schröder, Bauer Caspar Ladewig, bestätigte, dass am folgenden Montag die Schröder ganz rasend geworden sei, sich die Kleider vom Leibe gerissen habe und nicht bei Besinnung gewesen sei.
Ein weiterer Zeuge sagte aus, dass der Drache zwei- oder dreimal in das Haus der Marie Müller eingezogen sei. Weitere Zeugen waren Claus Ramin, Bauer in Sieversdorf, und die Frau Caspar Ladewigs.
Die Aussagen wurden in die Juristenfakultät in Helmstedt gesandt. Die Fakultät antwortete am 5. November 1668 mit dem Auftrag, „das verborgene Laster der Hexerei sei nicht bloß im Allgemeinen, sondern genau zu erforschen“. Das geschah am 5. Dezember 1668. Doch die Klägerin, Marie Schröder, fehlte. Obwohl Marie Müller zu dieser Zeit bereits in Haft war, wurde ihr die Schuld am Tod der Marie Schröder gegeben.
Zwei Jahre saß die Angeklagte Marie Müller im Amtsgefängnis, als am 23. Februar 1669 nach Anweisung der Universität mit ihr verfahren wurde. Wieder wurde sie über alles Mögliche und Unmögliche befragt, doch sie schwieg zunächst. Wieder wurde ihr unter der Folter ein Geständnis abgerungen, das sie anschließend widerrief. Diese Prozedur wurde so lange fortgesetzt, bis sie schließlich laut rief: „Ich bin eine Hexe, kann zaubern, habe alles getan, worüber ich gefragt bin!“
Die Marter dauerte volle sieben Viertelstunden. Als sie wieder vor dem Gericht stand, leugnete sie aber alles und beteuerte, alles aus Angst und Schmerz gestanden zu haben. Besonders aber widerrief sie das Geständnis, Marie Schröder vergiftet zu haben und dass sie eine Hexe sei.
Die weitere Vernehmung verlief wie die erste. Auf dem Blocksberg sei sie gewesen, auf einem Sieb sei sie hingeritten, sie habe dort gegessen und getrunken. Daniel Langens Mutter sei auch dagewesen, Jakob Wulff aus Köritz sei der Spielmann gewesen.
Am dritten Tag nach der Marter wurde die Unglückliche nochmals aus dem Kerker hervorgezogen, um ihre Aussage in Abwesenheit des Scharfrichters zu bestätigen. Sie antwortete auf alle Fragen nur mit einem Ja. Doch die Mörderin ihrer eigenen Kinder zu sein und die Beschuldigung anderer noch Lebender, mit auf dem Blocksberg gewesen zu sein, wollte sie nicht bestätigen.
Das war auch nicht mehr erforderlich, um ihr Todesurteil herbeizuführen. Die Juristenfakultät erkannte am 22. Juni 1669 für Recht, dass sie ihr Leben verwirkt habe. Nach Kaiser Karl V. und des Heiligen römischen Reiches peinlicher Halsgerichts-Ordnung zum abscheulichen Exempel sollte sie mit dem Feuer vom Leben zum Tode zu bringen sein. Sie wurde 1669 auf dem Rhinowberg in Sieversdorf verbrannt.
Der Berg ist inzwischen abgetragen, aber die Erinnerung an diese Hexenprozesse sind bis heute in Sieversdorf in Erinnerung geblieben.

Nach Eugen Gliege „Geschichten aus dem Altkreis Kyritz“

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