WILDE KARDE IM BLICK

https://www.mittelalter-lexikon.de schreibt unter Kardendistel: (mhd. karde, karte, streler, wolfstral; mlat cardus, cardo fullonicius, virga pastoris; lat. carduus = Distel, Distelkopf; botan. Dipsacus sativus). Eine zweijährige distelähnliche, bis zu 2 m hohe Pflanze aus der heimischen Gattung der Kardengewächse, bekannt als Wilde K. (Dipsacus sylvestris) gesammelt und als Garten- oder Weber-K. (Dipsacus sativus) angebaut. Sie stammt ursprünglich aus dem mediterranen Raum und hat sich über einen jahrhundertlangen Zeitraum in ganz Mitteleuropa verbreitet. Die Bezeichnungen der kultivierten Form als Kratzkopf, Igelkopf, Raukarde u.ä. rührt daher, dass der eiförmig-längliche Fruchtstand mit elastischen Stacheln besetzt ist und nach dem Abblühen und Trocknen zur Herstellung von bürstenartigen Werkzeugen (Kardätschen) für Wollkämmer und Tuchbereiter verarbeitet wurden. Die Kardenmacher oder -setzer verwendeten die größten Köpfe, die von den stärksten Stacheln besetzt sind, für Karden zur Bearbeitung grober Wollstoffe, Köpfe geringerer Größe mit feineren Stacheln ergaben Karden für feinere Tücher und Zeuge, die kleinsten Köpfe wurden zu Karden für die schlechtesten Zeuge verarbeitet.
Die gegenständigen Laubblätter sind z.T. am Grund verwachsen und bilden so ein regenwasserspeicherndes Becken (daher wurde die Pflanze auch Venusbad, Venuslippe genannt).
Disteln galten im mittelalterlichen Aberglauben wie andere stechende Pflanzen und spitze Gegenstände als Abwehrmittel gegen Hexen und Dämonen und wurden im Haus und im Stall aufgehängt und in Würzbuschen eingebunden, die vor Krankheit oder Unwetter schützen sollten.
In der Heilkunde spielte die Kardendistel kaum eine Rolle. Verwendung fanden die Wurzel und die Blätter. Heilanzeigen waren Haut- und Schleimhautverletzungen, Warzen, sowie Magen-Darm-Beschwerden und Gelbsucht. In einem Kräuterbuch heißt es: „Virga pastoris heißt Kardendistel. Das Kraut ist kalt, und wenn man ein Pflaster davon macht, ist es gut gegen entzündete Geschwüre. Als gebranntes Wasser ist das Kraut gut für diejenigen, die da Blut spucken. Getrunken verursacht das Wasser kräftiges Harnen.“
Das alles wusste ich nicht, als ich begann, diese Pflanzen zu fotografieren, die sich in meinem zugegeben etwas verwilderten Garten offensichtlich wohl fühlen. Jedes Jahr verläßlich treiben sie aus den unscheinbaren Vorjahrespflänzchen lange stachlige Stiele mit Blütenköpfen voller kleiner lilafarbener Blüten, die alsbald und ständig von Insekten umschwirrt werden.
Beim Nachdenken zum Thema Fasern und Hexen überkam mich das Bedürfnis, diese faszinierenden Gewächse zu unterschiedlichen Jahreszeiten abzulichten – doch dann fand ich oben zitierten Text und der Zusammenhang offenbarte sich.

Fotos: PWM

3 Gedanken zu „WILDE KARDE IM BLICK“

  1. Seit du die Karde in unser Blickfeld gerückt hast, sehe ich sie überall: Im Dorf am Gartenzaun, ein ganzes Brachfeld voll in der Fränkischen Schweiz…
    Hast Du einmal ausprobiert, damit zu kardieren, oder kennst Du jemand? Wie gut das wohl geht?

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  2. Nein, ich hab’s nicht probiert, aber es gibt historische Abbildungen, die zeigen, dass die Distelköpfe in mehrerern Reihen in überhandgroße Holzrahmen gespannt wurden und bei Verschleiß ausgewechselt werden konnten. Die Karde hat’s sogar ins Innungszeichen der Tuchmacher geschafft! Es muss also gehen 😉

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